Wie Tumorzellen ausgehungert werden


Ein Biologe erforscht mit seinem Team an der Uniklinik Düsseldorf die Möglichkeit, bösartigen Zellen die lebensnotwendigen Nährstoffe zu entziehen. Kopfschmerzen, die immer heftiger werden, und Veränderungen in der Persönlichkeit – das können im schlimmsten Fall Anzeichen für einen Hirntumor sein. Das kann ein so genanntes Glioblastom sein. Doch wie können Tumorzellen auf biologische Weise dazu gebracht werden, zugrunde zu gehen? Diese Frage beschäftigt Gabriel Leprivier schon seit seinem Studium in Lille. Acht Jahre lang arbeitete der Biologe nach seiner Doktorarbeit in Vancouver an einer Antwort und nähert sich ihr jetzt an der Düsseldorfer Uniklinik an: Vier Studierende und ein Post-Doc beobachten im Labor zusammen mit ihm das Wachstum und Absterben bösartiger Zellen. Letzteres wollen die Wissenschaftler beschleunigen, indem sie den Zellen die lebensnotwendige Nahrung entziehen und ihre Widerstandskraft schwächen. So einfach, wie das klingt, ist es allerdings nicht. „Ich habe schon 2007 unter dem Mikroskop gesehen, dass viele Tumorzellen nicht überleben können, wenn sie nicht genügend Zucker erhalten – während normale Zellen auch mit einer ,Diät‘ zurechtkommen. Insgesamt brauchen die Krebszellen wesentlich mehr Zucker, weil sich ihr Stoffwechsel verändert hat“, erklärt Leprivier.

Der Experte für biologische Vorgänge in der Zelle stellte darüber hinaus aber auch fest, dass bestimmte Krebszellen sich an die widrigen zuckerarmen Nährstoffbedingungen anpassen können, indem sie Mechanismen der normalen Zellen nutzen. „In unserem Forschungsprojekt versuchen wir zu verstehen, wie die Zellen dies erreichen und anschließend sogar noch aggressiver werden“, sagt Leprivier. Er nutzt seine Kenntnisse der Zellbiologie dafür, um gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die Ursachen der Erkrankung von innen heraus zu untersuchen, indem er mehr über den Stoffwechsel der Krebszellen erfährt. Er hofft, mit seinen Forschungsergebnissen die wissenschaftlichen Grundlagen für einen künftigen Behandlungsansatz herauszuarbeiten: Der Überlebensmechanismus der bösartigen Zellen soll ausgeschaltet und zugleich das angrenzende Hirngewebe geschont werden.

Eine Strategie könnte so aussehen, dass die Krebszellen einerseits „ausgehungert“ werden, indem man ihnen den überlebensnotwendigen Zucker vorenthält. Andererseits soll den bösartigen Zellen gezielt die Widerstandskraft entzogen werden, damit sie umso schneller untergehen. Leprivier und sein Team sind diesem Ziel im Labor einen entscheidenden Schritt nähergekommen, als sie bei ihrer Arbeit ein bestimmtes Protein entdeckten. Es scheint Tumorzellen zu stärken, die unter Nährstoffmangel leiden. Wird dieses Protein ausgeschaltet, sind sie nach kurzer Zeit dem Untergang geweiht. Forscherkollegen in Vancouver und an der Ben Gurion-Universität in Be’er Scheva im südlichen Israel helfen dabei, die Strategie weiter voranzubringen und erforschen gemeinsam mit den Düsseldorfer Wissenschaftlern den Stoffwechsel der Glioblastom-Zellen. „Wir haben den Hirntumor als Modell genommen, weil es bisher keine langfristig effektiven Therapien dagegen gibt und wir zudem noch zu wenig darüber wissen, weshalb er so aggressiv ist“, erklärt der Biologe. Das Glioblastom wird derzeit meist möglichst radikal operiert, und es folgt eine Bestrahlung, um eventuelle restliche Krebszellen abzutöten. Die Patienten erhalten gleichzeitig eine Chemotherapie mit dem Wirkstoff Temozolomid, die meist noch ein halbes Jahr nach der Bestrahlung weitergeführt wird. Mit dieser kombinierten Behandlung gelingt es, das Tumorwachstum zu bremsen. Es kann allerdings bislang nicht verhindert werden, dass im Verlauf der Erkrankung häufig erneut ein Tumor auftritt.

Im Labor bringt der neue Ansatz des französischen Forschers bereits Erfolge: Genetisch veränderte Tumorzellen, bei denen das Widerstandsprotein blockiert wird, sterben in Testreihen schnell ab, wenn man ihnen die zuckrige Ernährungsgrundlage entzieht. In Tierversuchen zeigt sich, dass der Hirntumor nach Ausschalten des Widerstandsproteins in Mäusen nicht weiterwächst. Ob sich diese Ergebnisse erster präklinischer Studien aber auch auf Menschen übertragen lassen, weiß man bisher nicht. Leprivier ist allerdings hoffnungsvoll: Untersuchungen haben gezeigt, dass im Gewebe von Glioblastom-Patienten eine ganze Reihe widerstandsfähiger Tumorzellen mit dem neu entdeckten Protein aktiv sind. Diese Zellen scheinen die schnelle Entwicklung des Tumors voranzutreiben und sind bisher auch gegen eine Chemotherapie resistent. Der Biologe und seine Kollegen hoffen darauf, diesen Zellen gezielt die Überlebensgrundlage zu entziehen und dadurch das Tumorwachstum auszubremsen. Bis dahin müssen allerdings noch eine Menge Grundlagen mit internationaler Hilfe erforscht werden.

Die Arbeit von Leprivier und seinem Team wird von der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Elterninitiative Kinderkrebsklinik unterstützt. 
von Paula Schmidt / 04.02.2020 
https://www.welt.de/print/die_welt/article205575127/Wie-Tumorzellen-ausgehungert-werden.html?

Auch wenn sich die Überlebensraten in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, ist Krebs bei Kindern immer noch eine lebensgefährliche Erkrankung und es gibt immer wieder Patienten, die man auch durch den Einsatz modernster Medizin nicht heilen kann. Es ist sehr wichtig, weiter zu forschen um möglichst vielen Menschen zukünftig noch besser helfen zu können. Daher ist die Unterstützung der Forschung für uns eine Herzensangelegenheit. Um hierbei viel zu erreichen, arbeiten wir eng mit anderen Kliniken zusammen. (Andre Zappey, Elterninitiative Kinderkrebsklinik e.V.) 




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