Jaël


"Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben zu geben." (Alexis Carrel)

Als die Ärzte uns vor 12 Jahren eine Woche nach Jaëls Geburt die tödliche Diagnose Trisomie 18 mitteilten, brach für meinen Mann und mich eine Welt zusammen. Trotz diverser Komplikationen während der Schwangerschaft und in der ersten Woche nach Jaëls Geburt hatten wir so sehr auf ein Wunder gehofft. Aber jetzt hatten wir es schriftlich: Unsere langersehnte Tochter wird nicht lange leben. Wenn wir Glück hätten, dann 6 Monate...

Unser erster Gedanke war, sie so schnell wie möglich nach Hause zu bekommen und mit ihr einfach nur leben. Zumindest solange sie bei uns ist. Von Anfang an war unsere erste Priorität, Jaëls kurzes Leben mit uns so normal wie möglich zu gestalten. Einfacher gesagt als getan. In der ersten Zeit mutierte unsere Wohnung zur Intensivstation. Mein Mann und ich wünschten uns Eltern zu werden und wurden über Nacht zu medizinischen Fachkräften. Trotz schlimmster Prognosen entwickelte sich Jaël prächtig. Sie verkraftete mehrere Lungenentzündungen und zeigte jedes Mal, wenn wir mit ihr im Krankenhaus waren und Abschied genommen hatten, dass sie eine Kämpferin ist und gerne lebt. Jaël hat unser Leben positiv verändert. Sie schafft es immer wieder durch ihre bezaubernde, fröhliche Art und ihr unbeschreiblich schönes Lächeln die Menschen für sich zu gewinnen. Seit Ende 2011 hat sich Jaëls Zustand leider verschlechtert, was mehrere Aufenthalte im Krankenhaus bzw. auf der Intensivstation beinhaltet. Im Solinger Krankenhaus werden wir immer bestens und liebevoll versorgt. Aber jedes Mal wenn wir hinfahren müssen, wissen wir nicht, ob wir mit ihr zurückkommen werden oder nicht. Das ist ein Gefühl, das sich nicht in Worte fassen lässt.

Seit Anfang des Jahres werden wir vom Kinderpalliativteam in Düsseldorf versorgt. Schon zwei Mal musste das Team Jaël zu Hause mit Infusionen versorgen. Und wir können nur staunen, wie schnell sich unsere Tochter zu Hause erholt. Im Krankenhaus ist sie die ersten drei bis vier Tage nicht ansprechbar und schläft nur. Zu Hause ist sie nach der ersten Infusion wieder quietschfidel und kann wieder essen. Wir sind sehr dankbar, dass es das Kinderpalliativteam gibt. Nicht nur die fachliche Kompetenz zeichnet das Team aus, sondern auch ihre Empathiefähigkeit. Den Weg durch Höhen und Tiefen zu gehen, ist nicht immer einfach, deshalb tut es gut, so ein kompetentes Team hinter sich zu wissen.

Seit 12 Jahren leben wir nun mit der Gewissheit, dass jeder Tag Jaëls letzter Tag sein könnte. Für uns ist das aber kein Grund, Trübsal zu blasen und auf ihren Tod zu warten. Im Gegenteil, wir genießen das Leben und sind dankbar für jeden guten Tag. Aber es wird der Tag kommen, an dem Jaël gehen wird, und dann wünschen wir uns, dass dies zu Hause geschehen kann. Und dass wir und alle Menschen, die sie in den letzten 12 Jahren begleitet und geliebt haben, hier von ihr Abschied nehmen können. Mehr zu Jaël und ihrer Geschichte auf ihrem Blog www.trisomie-18.de








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